KMU verbinden das Thema Digitalisierung mit Prozessoptimierung und Wertschöpfung

3. 12. 2021
Digitalizace firmy v ERP

Die von ABRA Software und ZIBESO durchgeführte Studie zum Digitalen Reifegrad in Schweizer KMU hat gezeigt, dass sich viele Firmen vorsichtig an das Thema Digitalisierung herantasten. Viele Projekte sind zwar geplant, die Umsetzung erfolgt jedoch nur schrittweise. Häufig wird versucht, anhand kleiner IoT-Teilprojekten zu lernen und danach den nächsten Schritt zu initiieren. Gary Honegger (Apuro GmbH), Quentin Willimann (SharpTec GmbH) und Marzio Tomasetto (ABRA Software AG) haben sich in einem gemeinsamen Gespräch über die Erwartungen und Schwierigkeiten bei der Digitalisierung im KMU-Umfeld ausgetauscht. 

Gary Honegger: Schon der Begriff Digitalisierung versetzt viele KMU in Panik, weil er inhaltlich kaum greifbar und daher eher negativ besetzt ist – obwohl sich hinter dem Begriff im Grunde nichts anderes als die Optimierung der Prozesskette und die Wertschöpfung durch den technologischen Fortschritt verbirgt.

Marzio Tomasetto: Für die erfolgreiche Umsetzung muss ein KMU zwei wesentlichen Überlegungen nachgehen: Sollen Produkte smart bzw. intelligent werden oder ausschliesslich die Prozesse? Und wie weit soll diese Integration gehen? Heutige Autos zum Beispiel vereinen beide Themen. Sie werden in smarten Unternehmen gefertigt und haben in sich selber smarte Komponenten verbaut, welche wiederum smarte Prozesse anstossen können. So kann Ihnen Ihr Fahrzeug etwa eine Schadens- oder Servicemeldung anzeigen und Sie fragen, ob der Garagist ihres Vertrauens informiert werden soll. Wenn Sie zustimmen, haben nicht nur die Sensoren Ihres Wagens «smart» funktioniert, sondern gleichzeitig einen Folgeprozess beim Garagisten angestossen. Das Fahrzeug wurde angemeldet, das fehlbare Teil reserviert bzw. automatisch der Lieferkette als Bedarf gemeldet, der Arbeitswertbaustein disponiert und vieles mehr.

Honegger: Das ist ein gutes Beispiel. In meinen Augen ist es wichtig, dass die Unternehmensleitung eine entsprechende «Digitale Vision» hat. Danach kann man sich fragen, wie genau die Prozesslandschaft und die einzelnen Prozessketten aussehen. Wo besteht bereits eine gute Wertschöpfung und wo existiert Optimierungspotenzial? Letzteres ist nur wenigen bekannt, da z.T. im Kader die Kenntnis über den aktuellen technologischen Fortschritt nicht vorliegt.

Quentin Willimann: Das sehe ich im Markt genauso. Auch scheint mir zum Teil der Mut wie auch die Zeit, ein solches Projekt zu initiieren, häufig zu fehlen.

Tomasetto: Zeit scheint mir nur ein Teil der Problematik zu sein. Häufig ist die grösste Hürde die Kombination aus Zeitmangel und der Frage «Wer macht es?». Bei vielen KMU enden jegliche Koordination, Planung und Entscheidung bei einer Person – dem Patron. Und da ist oft kaum Zeit für Prozessveränderungen oder Digitalisierung vorhanden.

Honegger: Sollte für die Prozessanalyse die Zeit fehlen, können externe Beratungsdienstleister wie unser Unternehmen unterstützen. Wir analysieren und stellen Prozessketten auf den Prüfstand. So lassen sich Ansatzpunkte für die Digitalisierung lokalisieren. Der Ablauf sieht so aus: Ist-Prozess definieren, Kundengruppen bilden, Soll-Prozess entwickeln und gegenüberstellen, Defizite lokalisieren, Methoden für Optimierungsmöglichkeiten identifizieren und prüfen, welche vorhandenen digitalen Mittel genutzt werden können. So lässt sich die Effizienz der eigenen Prozesse steigern.

Willimann: Bisher haben wir über den Gesamtprozess gesprochen. Zu Beginn ist es häufig sinnvoll, die Änderungen in kleineren Prozessschritten umzusetzen, bevor die gesamte Wertschöpfungskette auf einen Schlag digitalisiert wird. Wir treffen immer wieder auf die Kundenanforderungen, kleine Schritte im Digitalisierungsprozess, zum Beispiel in den Bereichen Engineering/Konstruktion, Fertigung oder BI/Data Lake zu implementieren. Hierbei gilt: Je durchgängiger die Prozesse desto effizienter wird das Gesamtsystem.

Tomasetto: Nun… die Frage nach einem unkomplizierten Einstieg in die Digitalisierung steht noch immer im Raum.

Honegger: Für ein vorsichtiges KMU gibt es eine mögliche Vorgehensweise. Es sollte sich seine eigenen Prozesse anschauen und die Ist-Situation festhalten. Danach soll es kleine Felder aus der Ist-Situation heraussuchen, die sich einfach digitalisieren lassen. Und wenn möglich kleine, einzelne Elemente angehen und schrittweise implementieren. So ist die Veränderung überschaubar, überprüfbar und gegebenenfalls anpassbar. Dadurch ist ein schneller Erfolg in der Organisation wahrnehmbar – was vielen Vorurteilen den Wind aus den Segeln nimmt.

Tomasetto: Das mit den Vorurteilen und der Skepsis ist ein gutes Argument. Die Pandemie hat der Digitalisierung zwar einen kräftigen Schub gegeben, das Thema aktive Prozessanalyse aber kaum angestossen. Aus dem Gefühl und meiner Erfahrung heraus vermute ich eher, dass die Veränderungsbereitschaft auch nach unserer Umfrage gleichgeblieben ist. Obwohl in der Pandemie viel in eCommerce Projekte investiert wurde, bin ich aber davon überzeugt, dass der ganze digitale Schritt im KMU Umfeld nun etwas zeitverzögert passieren wird.

Willimann: Das muss nicht unbedingt so sein – es gibt viele kleine Optimierungen, welche in einer guten Analyse der Ist-Situation ersichtlich werden. In etlichen Fällen sind die Daten vorhanden, werden aber nicht genutzt. Kleinere Schnittstellen auf Basis Comidor, Zapier oder MS Power Automation zu implementieren, kann hier helfen und ist sicherlich ein geringerer Invest. Die Situation ist letztlich immer individuell zu betrachten. Wichtig erscheint mir, dass man sich im Framework der Voranalysen bewegt und somit die Digitalisierung in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem KMU schrittweise umsetzen kann.

Wichtig ist, dass die Unternehmensleitung eine «Digitale Vision» hat. Wie sehen Prozesslandschaft und Prozessketten aus? Wo besteht Wertschöpfung und Optimierungspotenzial?

Gary Honegger,
Inhaber Apuro GmbH

Zeit scheint mir nur ein Teil der Problematik zu sein. Häufig ist die grösste Hürde bei der Digitalisierung in KMU die Kombination aus Zeitmangel und der Frage «Wer macht es?».

Marzio Tomasetto
Country Manager DACH bei ABRA Software AG

Es gibt viele kleine Optimierungen, welche in einer guten Analyse der Ist-Situation ersichtlich werden. In etlichen Fällen sind die Daten vorhanden, werden aber nicht genutzt.

Quentin Willimann
Mitinhaber SharpTec GmbH