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Überlegungen zum Wesen von Arbeit 4.0 (Teil 2/2)

8. 8. 2022
Überlegungen zum Wesen von Arbeit 4.0

In Zusammenhang mit der digitalen Transformation wandelt sich auch die Arbeitswelt. Neue Arbeitsformen und Organisationsstrukturen entstehen. Geschäftsprozesse und Unternehmenskulturen wandeln sich. Während im ersten Teil unseres Beitrags eine Bestandesaufnahme gemacht und auf die Problemfeldern eingegangen wurde, widmet sich diese Fortsetzung den neuen Geschäftsmodellen und den Auswirkungen auf die Beschäftigungsentwicklung.

Vom Geschäftsmodell zur Wertschöpfungskette

Neue Geschäftsmodelle, in denen die Datenverknüpfung zur Erweiterung der Wertschöpfungskettegenutzt wird, spielen in der Wirtschaft eine grosse Rolle. Die Debatte um neue Geschäftsmodelle sind im Arbeit 4.0 Kontext per se mit erheblichen Sorgen um einen potenziellen Personalabbau verbunden. Hierbei ist es z.B. fraglich, ob der Beschäftigungsstand des Kundenservices aufrecht gehalten werden kann, wenn die Aufträge vermehrt von den Kunden selber und nicht mehr den MitarbeiterInnen im Betrieb in das Kundenverwaltungsprogramm eingegeben werden. Das gezielte Outsourcen von einzelnen Tätigkeiten über Plattformen, wie es unter den Schlagworten des Crowd-/ Click- oder Gig-Working in Deutschland aktuell diskutiert wird, findet sich in der Schweiz bislang noch nicht.

Fachliche Arbeitsanforderungen steigen

Grundsätzlich ist es jedoch so – und das haben Fraunhofer, acatech u.a.m. schon festgestellt – dass ein durchgängiger Anstieg der fachlichen Arbeitsanforderungen feststellbar ist. Dieser fällt am geringsten in der direkten Produktion und am höchsten in den Bereichen der Forschung und Entwicklung aus. Die Bewertung wachsender fachlicher Anforderungen ist zwiespältig; sie können zu Belastungen führen, können aber auch positive Auswirkungen haben, wenn sie Tätigkeiten anreichern und den Beschäftigten die Möglichkeit geben, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten einzubringen oder weiterzuentwickeln. Dass die Arbeitsbelastungen der Beschäftigten steigen, steht ausser Frage. Auch diese Beobachtung gilt durchgängig für alle Beschäftigtengruppen; demnach wachsen die Belastungen am stärksten in der Forschung und Entwicklung und in der direkten Produktion.

Veränderungen der Gesamtbeschäftigung

Jobs gehen verloren und neue Jobs entstehen, aber nicht unbedingt für jene, die zuvor ihren Job verloren haben - Was bedeutet die Entwicklung hin zu „Industrie 4.0“ bzw. „Arbeit 4.0“ für die Gesamtbeschäftigungsentwicklung? Alle namhaften Studien belegen, dass die Erwerbsarbeitschancen insbesondere von geringqualifizierten Personen, die bereits in der Vergangenheit zunehmend eingeschränkt waren bzw. wurden, weiterhin von Umwälzungen gekennzeichnet sein werden und ohne rechtlichen Rahmen den Veränderungen und Herausforderungen im Unternehmensumfeld annähernd schutzlos ausgesetzt wären.

Arbeit 4.0

Hierbei werden einfache Tätigkeiten werden durch die Digitalisierung zur Gänze wegfallen und es werden nur mehr höherqualifizierte Tätigkeiten verbleiben. Einfache Tätigkeiten werden auch weiterhin vorzufinden sein. Diese werden allerdings künftig von höherausgebildeten Arbeitskräften, mit Hilfe digitaler Unterstützungen, quasi „miterledigt“ werden. In beiden Szenarien wird davon ausgegangen, dass die Höherqualifizierung geringqualifizierter Arbeitnehmer/innen durch Aus- und Weiterbildungen zentral an Bedeutung gewinnen wird, sollen deren Beschäftigungschancen gewahrt werden. Allerdings wird auch darauf verwiesen, dass nicht alle diese Arbeitnehmer/innen aufqualifizierbar sein werden und so ein gewisser Teil der Arbeitskräfte dauerhaft aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt bleibt.

Quelle: Vogler-Ludwig

Dem schliessen sich Fragen der Gestaltungsmöglichkeiten einer sozial kohäsiven Gesellschaft an. Auch werden Szenarien formuliert, dass geringqualifizierte Arbeitnehmer/innen künftig mit Hilfe digitaler Hilfsmittel auch höherqualifiziertere Aufgaben übernehmen können und sich durch eine digital vermittelte Vereinfachung von Bedienungselementen, Prozessen etc. auch neue Beschäftigungschancen eröffnen für jene, die bislang nur sehr geringe Optionen vorfanden (z.B. Personen mit Teilleistungsschwächen).

Einfache Tätigkeiten werden dieser Vorstellung zu Folge also nicht verschwinden. Deren Aufgabenstellungen würden sich aber teils in Richtung höherer Anforderungen verändern, was Implikationen auf die Aus- und Weiterbildung zeitigt. Damit würde vor allem das mittlere berufliche Positionssegment unter Druck geraten. Berufliche Positionen würden sich künftig noch stärker als bislang verändern – die Meister, die Vorarbeiter, die Schichtmeister etc. könnten überflüssig werden. Gleichzeitig steht die Befürchtung im Raum, dass Flexibilitätsanforderungen und Zeitdruck sich für jeden einzelnen Mitarbeiter weiter erhöhen und zusehends mehr Menschen – unabhängig ihrer Qualifikation oder sonstiger Merkmale wie ihr Alter – nicht mehr mithalten können und sich die Gesellschaft in eine Richtung bewegt, in der «die einen ohne Arbeit und die anderen chronisch Burn-out» gefährdet sind.